Reise nach Peking

September 5, 2009 at 1:51 pm (Uncategorized)

27. August
Um 6.30 Uhr nehmen wir unser Frühstück in der Pension ein, bevor wir von unserem freundlichen Fahrer zum Bahnhof gebracht werden. Seine hervorragenden Deutschkenntnisse verdankt er einem Studienaufenthalt in Zwickau. Er ist Geologe und an Bohrungen in der Mongolei beteiligt. Wir erzählen ihm von den „Echseneiern“ bei den flammenden Kliffs und er bestätigt unsere Zweifel an der Echtheit. 1992 seien amerikanische Forscher in die Gobi gekommen und hätten lastwagenweise alle paläoontologischen Fundstücke abtranportiert und für amerikanische Museen exportiert. Money makes the world go round !
Am Bahnsteig von Ulan Bator warten viele Touristen, überwiegend Reisegruppen aus Germanien.
Um 8.05 Uhr fährt der Zug ab. Eine Gruppe lederbehoster Kärntner stürmt sogleich den Speisewagen und verlangt Bier. Kulturschock! Der mongolische Speisewagen ist mit seinen aufwändigen wie kitschigen Schnitzereien eine Sehenswürdigkeit, in der auch das einzige weibliche Zugpersonal eingesetzt ist. Die Wagenschaffner und sonstige Zugbegleiter sind chinesische Uniformträger mit Rangabzeichen. Der ganze Zug macht einen pieksauberen Eindruck, kein Plüsch mehr wie in den russischen Zügen. In den Toiletten gibt es sogar Papier-Sitzauflagen!

Blick aus dem Abteilfenster

Blick aus dem Abteilfenster


Kurz nach Ulan Bator schraubt sich der Zug über viele enge Kurven in eine Hochebene, was den Hobbyeisenbahnfotografen die Möglichkeit gibt, den ganzen Zug aus dem Abteilfenster zu filmen. Dann fahren wir wieder durch die Gobi, diesmal ohne Geschaukel. Um 19.30 Uhr kommen wir in Zamyn Uud, dem mongolischen Grenzbahnhof nach China. Außer der Pass-und Zollkontrolle findet ein Gesundheitscheck statt, bei dem die Körpertemperatur mit einer Art Laser ermittelt und in eine Gesundheitserklärung eingetragen wird. Schweinegrippe-Alarm! Wie gut, dass es diese Messgeräte noch nicht bei der Einreise in die Mongolei gab, wo Dorothea einen kurzen Fieberschub hatte.
Der Zug wird hin und herrangiert, bis er nach einer guten Stunde weiterfährt, wie bei der Einreise von salutierenden Soldaten flankiert. Nach wenigen Kilometern laufen wir in den chinesischen Grenzbahnhof Erlian ein, während die Nationalhymne ertönt. Die Passkontrolle wie immer brüsk unfreundlich, eine Zollkontrolle findet aber nicht statt. Der Bahnsteiglautsprecher bietet nun ein buntes Klavier-Potpouré von Beethovens Fünfter bis Auld Aquaintance. Nach einer halben Stunde dürfen wir das Abteil verlassen, Dorothea bleibt zum Aufpassen da. In der modernen und luxuriös ausgestatteten Bahnhofshalle wird bald ein großer Shop eröffnet, in dem es vom westlichen Alkohol bis zu Hygieneartikeln alles zu kaufen gibt, man kann in Tugrik, Dollar, Euro und Yuan bezahlen. Als ich zum Zug zurück möchte, wird der Bahnhof verriegelt und ich sehe den Zug zum Umspuren abfahren. Für die nächsten drei Stunden ist Dorothea alleine. Um halb eins werden wir wieder auf den Bahnsteig gelassen, doch der gerade eingelaufene Zug wird vor unserem Wagen getrennt und Dorothea rollt abermals auf ein anderes Gleis, denn es muss noch der chinesische Speisewagen eingekoppelt werden. Die Wagenschaffner stehen derweil wie die Zinnsoldaten an der Bahnsteigkante. Auf Kommando machen sie eine 180°-Wendung und blicken dem einfahrenden Zug entgegen.
In der Umspurhalle

In der Umspurhalle


Dorothea hat inzwischen in der Umspurhalle spannende Manöver erlebt, bei dem der Zug von der breiten russischen Spurweite auf die schmalere chinesische (=europäische) umgestellt wurden. Dabei wurden alle Wagen auseinanderkoppelt. Jeder Wagen wurde nun auf Hebebühnen um ca 1,50m angehoben (was im Inneren kaum zu spüren war) und die Fahrwerke komplett ausgetauscht. Aus irgendeinem Grund wurden die Jalousien mehrfach heruntergezogen, als sollte das Geschehen schamhaft verborgen werden, doch Dorothea hat alles aus dem Wagenfenster beobachtet und fotografiert.
28. August

China hat wie die Mongolei die gleiche Zeitzone (MEZ + 6h), das heißt, trotz der östlichen Lage bleiben die Uhren um eine Stunde hinter denen in Irkutsk zurück, so dass es früher hell und dunkel wird.
Nach dem Aufwachen bietet sich ein völlig verändertes Landschaftsbild dar: Intensive Landwirtschaft (Mais, Hirse, Sonnenblumen und Gemüseanbau sowie Viehzucht) und auffallend intakte alte Gebäude auf dem Land und sehr moderne in den Städten. Zumindest auf den ersten Blick viel einladender als vermutet! Hinter der Millionenstadt Datong erhaschen wir einen kurzen Blick auf die chinesische Mauer.

Berglandschaft in China

Berglandschaft in China


Die Strecke führt nun durch immer gebirgigeres Gelände entlang eines Flusstals, des Formationen ein wenig an das Elbsandsteingebirge erinnern. Zahllose endlose Tunnel machen die Schwierigkeiten deutlich, die mit dem Bau dieser Strecke verbunden waren.
Fahrt durch ein Flusstal

Fahrt durch ein Flusstal

Vom Zugpersonal erfahren wir, dass dies nicht die zwischen 1949 und 1955 von Russen und Chinesen gebaute Strecke ist, die in unseren doch sonst so aktuellen Reiseführern beschrieben ist, und wir warten vergeblich auf die so fotogene Unterquerung der chinesischen Mauer. Als wir kurz nach zwei Uhr in Peking eintreffen, wartet dort schon Herr Ziang auf uns, ein sehr dynamischer, sehr gut Deutsch sprechender Mann. Er leitet uns durch die Menschenmassen zu einem Kleinbus, der uns zu unserem luxuriösen Hotel bringt. Wir laden nur unser Gepäck ab und werden sogleich zur Verbotenen Stadt gefahren, die nur noch zwei Stunden für Besucher geöffnet ist. Unser Problem ist, dass wir kaum chinesische Währung haben. Zwar können wir den Eintritt mit der Karte bezahlen, aber den Audioguide gibt es nur gegen Cash und für das Pfand haben wir nicht genug. Ein Geldautomat ist nicht in Reichweite.
Eingang zur verbotenen Stadt

Eingang zur verbotenen Stadt

Da bietet sich eine junge Chinesin, die sehr gut Englisch spricht, an, uns ohne Mehrkosten durch die Verbotene Stadt zu führen. Sie erweist sich als sehr kenntnisreich und zeigt uns nicht nur die prachtvollen Gebäude im inneren und äußeren Teil, sondern gibt uns einen Einblick in die Lebenswelt der chinesischen Kaiser.Das Palastmuseum oder die Verbotene Stadt diente den Ming und Qing-Dynastien von 1406 bis 1911 mit 24 Kaisern als Kaiserpalast. Auf einer rechteckigen Fläche von 720000 m² entlang einer Nord-Südachse und von 10m hohen Mauern umgeben, hat es vier Tore, das Himmelstor und das Tor des himmlischen Friedens im Norden und Süden sowie dem östlichen und westlichen Blumentor und gliedert sich in drei Bereiche, den Außenhof mit den drei Haupthallen der höchsten Harmonie, der vollkommenen Harmonie und der Erhaltung der Harmonie, in denen der Kaiser seine Beamten empfing, den Innenhof, wo der Kaiser mit seiner Familie lebte und den Palastgarten mit Zypressen, Blumen und Bambus sowie künstlichen Felsanlagen und Springbrunnen.
Imposanter Aufstieg zum Kaiser

Imposanter Aufstieg zum Kaiser

Unter dem Baum der ewigen Liebe

Unter dem Baum der ewigen Liebe

Jadeschnitzerei

Jadeschnitzerei

Kunstwerk aus Schmetterlingen

Kunstwerk aus Schmetterlingen

Je mehr Tierfiguren, desto bedeutender ist der Herrscher

Je mehr Tierfiguren, desto bedeutender ist der Herrscher

Hinterher gehen wir entlang des berühmt-berüchtigten Platzes des himmlischen Friedens, auf dem die Vorbereitungen für die morgen beginnenden Feierlichkeiten zum 60.Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China.
Allgegenwaertiger Mao

Allgegenwaertiger Mao

Wir haben nun Hunger und suchen das von Frau Knop für die Pekingente beschriebene Restaurant. Zwei junge Chinesinnen bieten uns, als wir mit dem Stadtplan kämpfen, ihre Hilfe an. Sie kennen dieses Restaurant, versichern uns aber, dass wir ohne Reservierung dort kaum Platz bekommen würden. Sie schlagen uns ein anderes, nicht weit entferntes Restaurant vor, zu dem sie uns geleiten. Sie sind aus der Provinz und genießen es, in Peking ihre Englischkenntnisse zu vertiefen. Sie hören sich begeistert unsere Reisewegschilderung an. Dorothea ist misstrauisch, ob wir in das Netz von Abzockerinnen gegangen sind, aber die Beiden verabschieden sind freundlich, nachdem sie sich von uns zu einem Glas Sprite haben einladen lassen. Die Pekingente ist prima. Zuerst gibt es sehr schmackhaft gedünstetes Mangoldgemüse, dann kommen hauchdünne Pfannkuchen auf den Tisch, die man auf den Handteller legt, mit Frühlingszwiebeln und Gurken belegt, mit einer leckeren süßen Sojasoße bekleckert und in den Mund stopft. Die Entenfleischscheiben, deren geröstete Haut besonders lecker ist, zergehen auf der Zunge. Die 500 Yuan (etwa 50€), die das Ganze für alle Vier incl. Getränke kostet, war der Genuss allemal Wert.
Im Dunkeln gehen wir ein paar Schritte in die unbeleuchteten Hutongs, die historischen engen Gasschen Pekings, in denen viel Leben herrscht, aber es ist auch etwas unheimlich und im Gegensatz zu den Hauptstraßen ziemlich schmutzig dort. In der prachtvollen und illustren Fußgängerzone trennen wir uns von Ben und Tessa und suchen ein Taxi. Eine Moped-Rikschafahrerin bietet an, uns zu fahren, und so bekommen wir in dem engen, nach hinten offenen Gefährt eine Art Stadtrundfahrt geboten. Kreuz und quer geht es inmitten unserer eigenes Abgase durch das nächtliche Peking, aber nach ein Stopps und Kehrtwendungen landen wir tatsächlich vor unserem Hotel.
29.August
Das opulente Frühstücksangebot erinnert uns an Korea: Gemüse, Salate, Suppen, Gebratene Eier. Ich vermisse eine gute Tasse Kaffee und ein leckeres Brötchen!
Um neun Uhr werden wir von unserem Fahrer und einem sehr gut Deutsch sprechenden Führer abgeholt. Wir wollen die chinesische Mauer besichtigen. Es ist Samstag, der in China arbeitsfrei ist, trotzdem ist das Verkehrsaufkommen immens. Die Hauptstraßen haben bis zu 14 Spuren, die von einander durch mehrere oft sehr aufwändig gepflegte Grünstreifen getrennt sind. Trotzdem staut sich der Verkehr ständig, auch auf den mautpflichtigen Autobahnen geht es nur langsam voran. Bald merken wir, dass wir nicht die einzigen sind, die zur Mauer wollen, wir sind umgeben von Bussen mit dem Wochenend-Hauptausflugsziel der Pekinger.
Massenansturm auf die Mauer

Massenansturm auf die Mauer

Dabei erfahren, dass es im Norden von Peking gleich drei solcher Verteidigungsringe gibt. Vor Ort in Batalang nach etwa 60km Fahrtstrecke sind wir beeindruckt von den Menschenmassen, die sich nach rechts und nach links auf der Mauer bewegen, aber auch von der Ausdehnung dieses Bauwerks, das sich in vielen Aufs und Abs und Abknickungen bis zum Horizont erstreckt.
Auf der Mauer

Auf der Mauer

Alle paar hundert Meter steht ein Wachturm oder ein Fort. Insgesamt hat die die Mauer auf über 6000 km erhalten, die aber nicht alle in einem solch guten Erhaltungszustand sind wie dieser Abschnitt, der in den Siebziger Jahren renoviert wurde. Auf Rat unseres Führers entscheiden wir uns auf unserem Spaziergang für die westliche, weniger überlaufene Richtung. Es gibt steile Abschnitte, an denen man auf hohen Stufen ordentlich ins Schwitzen kommt, denn es sind mehrere hindert Meter Höhenunterschied zu überwinden. Von oben hat man einen prachtvollen Blick auf das Bauwerk und die gebirgige Landschaft. Das Hauptvergnügen der Chinesen scheint zu sein, sich mit der Familie auf jeder zweiten Stufe ablichten zu lassen, so tun wir es ihnen nach. Nach einer Dreiviertelstunde müssen wir umkehren.
Die Mauer reicht bis zum Horizont

Die Mauer reicht bis zum Horizont

Schade, hier scheint gerade der Bewegungsbedarf der meisten Mauerwanderer gedeckt zu sein und man hätte viel Platz!
Wir fahren zum Mittagessen in eine nahegelegene Emaillefabrik. Über der Malerei und der Verkaufsfläche liegen zwei große Restaurantebenen. Unser Menu ist bereits gebucht, es gibt mehrere Sorten Fleisch, gedünstete Erbsenschoten und Mohrrüben, anschließend eine Gemüsesuppe. Auf dem Tisch steht außerdem ein Fläschchen mit 56%igem Schnaps zur freien Verfügung, er schmeckt höllisch scharf. Nach dem Essen sehen wir uns in der Fabrik um, in der es eine Riesenauswahl an emaillierte Vasen, Döschen und allem Möglichen zu kaufen gibt.
Arbeiterin in der Emaillefabrik

Arbeiterin in der Emaillefabrik

Interessant ist der Blick in die Fertigungshalle, in der ausschließlich Frauen damit beschäftigt sind, die kupfernen Rohformen mit Draht zu verzieren und die entstandenen Strukturen zu bemalen.
Dann geht es zu den Minggräbern, in denen die Kaiser und Kaiserinnen der Mingdynastie in der Glanzzeit des chinesischen Weltreiches bestattet sind.
Der Seelenweg

Der Seelenweg

Zunächst laufen wir den „Seelenweg“ entlang, einen etwa einen Kilometer langen sehr gepflegten breiten Weg, der wegen des Feng Shui nicht ganz gerade verläuft, sondern leicht abknickt. Entgegen unserer Erwartung ist es hier fast menschenleer. Prachtvolle Marmorskulpturen von Löwen, Pferden, Kamelen und Elefanten säumen den Weg, auf dem die „Jadekörper“ der verstorbenen Regenten zu ihrer Ruhestätte geleitet wurde. Das Mausoläum wurde erst zu Beginn der Fünfziger Jahre entdeckt und, fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit, in der Tiefe freigelegt. Zum Glück noch vor der Kulturrevolution, erzählt unser Führer. Durch ein Treppenhaus geht es etwa siebzig Meter in die Tiefe, wo die hölzernen Sarkophage des 13. Mingkaisers und seiner zwei Gemahlinnen in den 400 Jahre alten Gewölben aufgestellt sind.
Sarkophag des 13. Mingkaisers

Sarkophag des 13. Mingkaisers

Die steinernen Throne haben nur symbolische Bedeutung und sind für das Jenseits gedacht, zu Lebzeiten saß der Kaiser nur auf dem hölzernen Thron, den wir in der verbotenen Stadt sahen. Die Dimension und die prachtvolle Ausschmückung verdeutlichen die Machtfülle der Herrscher.
Zurück in Peking suchen wir eines der zahllosen Restaurants entlang der großen Straßen auf, die uns mit einladenden Gebärden zum Einkehren auffordern. Mit Schrecken stellen wir fest, dass wir auf der chinesischen Speisekarte nicht ein Wort verstehen. Die Inhaberin sucht gleich vier Gerichte für uns aus, die mehr oder minder schrecklich sind. Schweinepfoten sind wohl eine Delikatesse, für uns aber ein klebriges fettiges knorpeliges Ungenießbares und auch die Wurstscheiben an Sojasoße und die undefinierbaren Gelatinewürfel – wir mutmaßen Rinderhoden- treffen nicht unseren Geschmack. Doch mit List und Zeigen gelingt es uns noch, eine leckere Suppe und Nudeln auf den Tisch zu zaubern und wir werden alle satt, ohne ein Viertel der sich auf unserem Tisch stapelnden Köstlichkeiten verzehren zu können. Trotzdem kommt etwas Wehmut auf, es ist unser letzter gemeinsamer Tag. Ben und Tessa schenken uns Glücksbringer aus Jade und gemeinsam stellen wir fest, dass wir eine schöne Zeit miteinander hatten.
29.August
Das opulente Frühstücksangebot erinnert uns an Korea: Gemüse, Salate, Suppen, Gebratene Eier. Ich vermisse eine gute Tasse Kaffee und ein leckeres Brötchen!
Um neun Uhr werden wir von unserem Fahrer und einem sehr gut Deutsch sprechenden Führer abgeholt. Wir wollen die chinesische Mauer besichtigen. Es ist Samstag, der in China arbeitsfrei ist, trotzdem ist das Verkehrsaufkommen immens. Die Hauptstraßen haben bis zu 14 Spuren, die von einander durch mehrere oft sehr aufwändig gepflegte Grünstreifen getrennt sind. Trotzdem staut sich der Verkehr ständig, auch auf den mautpflichtigen Autobahnen geht es nur langsam voran. Bald merken wir, dass wir nicht die einzigen sind, die zur Mauer wollen, wir sind umgeben von Bussen mit dem Wochenend-Hauptausflugsziel der Pekinger. Dabei erfahren, dass es im Norden von Peking gleich drei solcher Verteidigungsringe gibt. Vor Ort in Batalang nach etwa 60km Fahrtstrecke sind wir beeindruckt von den Menschenmassen, die sich nach rechts und nach links auf der Mauer bewegen, aber auch von der Ausdehnung dieses Bauwerks, das sich in vielen Aufs und Abs und Abknickungen bis zum Horizont erstreckt. Alle paar hundert Meter steht ein Wachturm oder ein Fort. Insgesamt hat die die Mauer auf über 6000 km erhalten, die aber nicht alle in einem solch guten Erhaltungszustand sind wie dieser Abschnitt, der in den Siebziger Jahren renoviert wurde. Auf Rat unseres Führers entscheiden wir uns auf unserem Spaziergang für die westliche, weniger überlaufene Richtung. Es gibt steile Abschnitte, an denen man auf hohen Stufen ordentlich ins Schwitzen kommt, denn es sind mehrere hindert Meter Höhenunterschied zu überwinden. Von oben hat man einen prachtvollen Blick auf das Bauwerk und die gebirgige Landschaft. Das Hauptvergnügen der Chinesen scheint zu sein, sich mit der Familie auf jeder zweiten Stufe ablichten zu lassen, so tun wir es ihnen nach. Nach einer Dreiviertelstunde müssen wir umkehren. Schade, hier scheint gerade der Bewegungsbedarf der meisten Mauerwanderer gedeckt zu sein und man hätte viel Platz!
Wir fahren zum Mittagessen in eine nahegelegene Emaillefabrik. Über der Malerei und der Verkaufsfläche liegen zwei große Restaurantebenen. Unser Menu ist bereits gebucht, es gibt mehrere Sorten Fleisch, gedünstete Erbsenschoten und Mohrrüben, anschließend eine Gemüsesuppe. Auf dem Tisch steht außerdem ein Fläschchen mit 56%igem Schnaps zur freien Verfügung, er schmeckt höllisch scharf. Nach dem Essen sehen wir uns in der Fabrik um, in der es eine Riesenauswahl an emaillierte Vasen, Döschen und allem Möglichen zu kaufen gibt. Interessant ist der Blick in die Fertigungshalle, in der ausschließlich Frauen damit beschäftigt sind, die kupfernen Rohformen mit Draht zu verzieren und die entstandenen Strukturen zu bemalen.
Dann geht es zu den Minggräbern, in denen die Kaiser und Kaiserinnen der Mingdynastie in der Glanzzeit des chinesischen Weltreiches bestattet sind. Zunächst laufen wir den „Seelenweg“ entlang, einen etwa einen Kilometer langen sehr gepflegten breiten Weg, der wegen des Feng Shui nicht ganz gerade verläuft, sondern leicht abknickt. Entgegen unserer Erwartung ist es hier fast menschenleer. P1010755Prachtvolle Marmorskulpturen von Löwen, Pferden, Kamelen und Elefanten säumen den Weg, auf dem die „Jadekörper“ der verstorbenen Regenten zu ihrer Ruhestätte geleitet wurde. Das Mausoläum wurde erst zu Beginn der Fünfziger Jahre entdeckt und, fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit, in der Tiefe freigelegt. Zum Glück noch vor der Kulturrevolution, erzählt unser Führer. Durch ein Treppenhaus geht es etwa siebzig Meter in die Tiefe, wo die hölzernen Sarkophage des 13. Mingkaisers und seiner zwei Gemahlinnen in den 400 Jahre alten Gewölben aufgestellt sind. Die steinernen Throne haben nur symbolische Bedeutung und sind für das Jenseits gedacht, zu Lebzeiten saß der Kaiser nur auf dem hölzernen Thron, den wir in der verbotenen Stadt sahen. Die Dimension und die prachtvolle Ausschmückung verdeutlichen die Machtfülle der Herrscher.
Zurück in Peking suchen wir eines der zahllosen Restaurants entlang der großen Straßen auf, die uns mit einladenden Gebärden zum Einkehren auffordern. Mit Schrecken stellen wir fest, dass wir auf der chinesischen Speisekarte nicht ein Wort verstehen. Die Inhaberin sucht gleich vier Gerichte für uns aus, die mehr oder minder schrecklich sind. Schweinepfoten sind wohl eine Delikatesse, für uns aber ein klebriges fettiges knorpeliges Ungenießbares und auch die Wurstscheiben an Sojasoße und die undefinierbaren Gelatinewürfel – wir mutmaßen Rinderhoden- treffen nicht unseren Geschmack. Doch mit List und Zeigen gelingt es uns noch, eine leckere Suppe und Nudeln auf den Tisch zu zaubern und wir werden alle satt, ohne ein Viertel der sich auf unserem Tisch stapelnden Köstlichkeiten verzehren zu können. Trotzdem kommt etwas Wehmut auf, es ist unser letzter gemeinsamer Tag. Ben und Tessa schenken uns Glücksbringer aus Jade und gemeinsam stellen wir fest, dass wir eine schöne Zeit miteinander hatten.
30. August
Nach dem Frühstück wird Ben von einem Taxi abgeholt und tritt den Rückflug an. Ich lasse mir von einer Friseurin, die auf dem Hof hinter unserem Hotel ihren Stand aufgebaut hat, die Haare schneiden. So kurze Haare hatte ich lange Zeit nicht mehr, doch die Damen finden den Haarschnitt recht gelungen und des Preises (10 Yuan , etwa 1€) mehr als würdig! Doch nicht alles in China ist billig. Wir wollen unsere Schmutzwäsche im Hotel abgeben. Wir bekommen eine Preisliste, auf der jede Socke und jede Unterhose einzeln abgerechnet werden sollen u einem Preis, für den man sich die Sachen in China wahrscheinlich neu kaufen kann. Unser Ehrgeiz ist entfacht, und die Internetrecherche ergibt, dass es in der Universität eine Wäscherei gibt, bei der man seine Wäsche morgens für10 Yuan abgeben und abends wieder abholen kann. Die Wegbeschreibung ist allerdings recht vage, und wir beschließen herauszufinden, ob es diese Wäscherei tatsächlich gibt. Wir benutzen die Metro, deren nächste Station nur 5 Gehminuten vom Hotel entfernt ist. Im Eingang gibt es einen Securitycheck, doch der Beamte, der unseren Rucksack durchleuchtet, blickt nicht einmal von seiner Lektüre auf. Der Fahrpreis für die gesamte Strecke beträgt unglaubliche 2 Yuan. Die U-Bahnen sind sehr modern. Alle Stationen sind konsequent zweisprachig ausgeschildert und die akustischen englischen Ansagen stellen sicher, dass man sich nicht verfahren kann. Es sei denn, man weiß wie wir nicht, wo wir eigentlich hinsollen. Der Internettipp verwies auf das Southwestgate. Unser Abzweig zum Southgate erweist sich als Flop, weil dort weit und breit keine Universität. Durch die freundliche Unterstützung durch Studenten kommen wir nach eineinhalb Stunden Fahrzeit an die richtige Metrostation, doch wir landen erst einmal in einer gigantischen Shopping-Mall. Bei Häagen-Dazs leisten wir uns sündhaft teueres Eis. Der junge Kellner bemüht sich nach Kräften, uns mit seinen wenigen englischen Vokabeln den Weg zu erklären. Den entscheidenden Tipp bekommen wir von einem Studentenpärchen, das sich aufrichtig freut, uns helfen zu können und uns ein Stück Wegs begleiten. Nach fast drei Stunden haben wir besagtes Tor gefunden, doch ein Polizist versperrt uns den Weg. Ich muss meinen Perso vorweisen. Der Computerscan ergibt offenbar, dass ich nicht zum verdächtigen Personenkreis gehöre, und wir dürfen auf den Campus. Mit Hilfe eines Studenten finden wir tatsächlich die Wäscherei. Er erklärt uns auch, dass die drei chinesischen Schriftzeichen „Wäscherei“ bedeuten. Die Allerschlauste aller Ehefrauen malt diese Buchstabenfolge ab. Tief befriedigt schlendern wir durch ein weitläufiges Parkgelände. Alte Männer lassen Drachen steigen.
An dieser Stelle möchte ich ein wenig den Eindruck schildern, den die Stadtbevölkerung bei mir hinterlassen hat: es herrscht eine unglaubliche Gelassenheit! Selbst in den Metrobahnhöfen, in denen sich Menschenmassen tummeln, schlendern die Leute mehr als dass sie gehen, kaum einer hat es eilig. Häufig finden sich Gruppen oft älterer Frauen, die zu westlicher Musik Aerobic machen. Entlang der vielbefahrenen Straßen gibt es Streifen, auf denen einfache Fitnessgeräte aufgestellt sind, von jung und alt frequentiert. Mit bloßem Oberkörper liefern sich Männer packende Tischtennisduelle, Jugendliche spielen „Hackysack“, wobei sie eine Art Ball durch Fußtritte in der Luft halten und sich gegenseitig zuspielen. Kurz gesagt, das Leben findet aan der „frischen“ Luft statt und die Menschen machen einen zufriedenen Eindruck. Woran ich mich ungern gewöhne: Männer rotzen lautstark den Schleim hoch und speien auf die Straße, in den Restaurants wird geschlürft und geschmatzt und Verkehrsregeln werden nicht beachtet. Egal, ob die Fußgängerampel grün ist, einige Autos bahnen sich laut hupend den Weg. Hier und an anderen Stellen wird eine Ellenbogengesellschaft erkennbar, was sich kaum mit dem eben geschilderten positiven Eindruck vereinbaren lässt. Zurück zum Park.
Chinesisches Schachspiel

Chinesisches Schachspiel


Auf einer Freifläche, auf der offenbar ein Open-Air-Konzert stattfinden soll, machen zwei vermutlich amerikanische Bands gerade ihren Soundcheck.
Openairkonzert

Openairkonzert

Es lohnt sich, zuzuhören. Überall sind Hunderte von Arbeitskräften dabei, die Anlage zu pflegen, es wird Rasen gemäht, Unkraut gejätet, neu gepflanzt und gewässert.
Mit der Nagelschere gepflegt

Mit der Nagelschere gepflegt

An dieser Stelle ein dickes Lob auf die Stadt Peking, wir haben noch keine so saubere und einladende Stadt erlebt! Die Ausdehnung der Stadt, die Verkehrswege und die gigantische Architektur, die überraschend ästhetisch und mit Feng-Shui-Elementen versehen ist, lassen Städte wie Hamburg und Berlin geradezu dörflich erscheinen!
Moderne Architektur, schoene Gruenalagen

Moderne Architektur, schoene Gruenalagen

Die Wege sind allerdings immens: was auf unserm schlechten Stadtplan wie ein Katzensprung aussieht, stellt sich als langer mühevoller Weg über viele nicht im Plan eingezeichneten Kreuzungen heraus. Als wir wieder im Hotel sind, dunkelt es bereits. Diesmal sind wir bei unserem Restaurantbesuch schon kundiger und wählen aus einer Bilderspeisekarte aus. Eins wie das andere schmeckt köstlich, aber allein die Schüssel Fischsuppe, die uns serviert wird, könnte zehn Leute sättigen. So müssen wir wieder die Essstäbchen strecken, ohne ein Viertel aufgegessen zu haben! Beim Verabschieden zeigt Dorothea der Besitzerin die Wäscherei-Buchstaben, die sofort mit dem Finger auf das Nachbargebäude zeigt. Tatsächlich befindet sich das Objekt unserer Begierde so nahe.
31. August
Diesmal gönnen wir uns anstatt des Hotelfrühstücks einen echten Kaffee und ein Sandwich in der Hotellobby. Als erstes tragen wir unseren Prallen Wäschesack zur gestern entdeckten Reinigung. Doch statt wir erhofft den ganzen Kram in die Waschmaschine zu stopfen, wird jede schmutzige Unterhose und stinkender Socken einzeln sortiert, registriert und mit einer Wäschemarke versehen: Ziemlich peinlich und obendrein teuer: 287 Yuan! Bei der Uni hätte es angeblich nur 10 Yuan gekostet, aber wir wollten uns den weiten Weg nicht noch einmal zumuten.
Wie fahren mit der Metro zum Lamatempel. Da wir aber aus der Mongolei schon buddhistische Tempel kennen, gehen wir in den Konfuziustempel.
Konfuziustempel

Konfuziustempel

Nach der wirtschaftlichen Öffnung Chinas steht dieser wieder hoch im Kurs und es finden traditionelle Zeremonien statt, bei denen besondere Musikinstrumente verwendet werden. Besonders beeindruckend sind die uralten Zypressen, die zwischen den sehr schönen Tempelbauten stehen.
Alte Zypresse

Alte Zypresse

Wir hatten den Konfuzianismus bislang als die Staatsphilosophie des alten China verstanden, aber er hat offenbar auch religiösen Charakter, denn es gibt hin auch Schreine, an denen gebetet wird und es findet sich ein großer Ofen, mit dem die Repräsentanten des alten China rituelle Opfer gebracht haben. Außerdem gibt es zwei Ausstellungen über Leben und Werk Konfuzes und über die weltweite Wirkung seiner Lehre.
Nachmittags fahren wir in eine Shoppingmall, in der wir unzählige Designerläden finden mit astronomischen Preisen. Als wir am Abend noch einmal zum Platz des Himmlischen Friedens fahren, ist dieser abgesperrt. Himmlisch friedlich, findet Dorothea.

10 Kommentare

  1. Petka said,

    Grüße aus Dresden und weiterhin viele spannende Reiseabenteuer. Wir werden Euren Trip weiter verfolgen. Liesst sich ja jetzt schon spannender als jedes Buch.
    Petka.

    • barreoptuur said,

      Lieber Petka, danke fuer deinen Gruss. Gruesse an die Familie, Dorothea und Axel

  2. Helga said,

    Grüße aus Berlin Karlshorst . Wir verfolgen mit Interesse Eure tolle Reise und sind auf weitere Bericht gespannt. Viel Spaß weiterhin und bleibt gesund.Helga und Uli

    • barreoptuur said,

      Euch auch alles Gute! Eure Barres

  3. kalle said,

    Hi Axel, bei momentan 25 Grad in kiel steigt die vorfreude auf den kiel-lauf am sonntag. freud uns, dass es euch gut geht. wir verfogen eure reise und sind begeisterte wegbegleiter.
    keep that wind at your back and the sun on your face. kalle & bine

    • barreoptuur said,

      Hallo Bine und Kalle, viel Erfolg beim Kiellauf. Die T-Shirts bewaehren sich bei tropischen Temperaturen bestens.
      Eure Dorothea und Axel

  4. Susanne said,

    Hallo, Axel – ich finde euch unglaublich! Da seid ihr offensichtlich den ganzen Tag unterwegs und ihr habt noch genug Energie, so interessante, ausführliche und bebilderte Reiseberichte zu schreiben! Und Postkarten dazu! Da kann man ja richtig ein bisschen mitreisen im Kopf – wirklich eine schöne Abendabschlussbeschäftigung, alle paar Tage mal zu schauen, wo ihr denn steckt. Danke dafür! Susanne

  5. Wolfgang Glinicke said,

    Liebe Dorothea und lieber Axel,
    es ist wirklich beeindruckend, eure Reiseerlebnisse so zeitnah miterleben zu können!
    Schon jetzt vielen Dank dafür und weiterhin einen erfolgreichen Reiseverlauf mit
    sicherlich noch vielen interessanten und spannenden Berichten. Hab dich, lieber
    Axel, beim 1/2 Marathon in Kiel als Mitkämpfer sehnlich vermisst. Sicherlich hilft die
    erworbene Kondition dir bei euren Vorhaben. Bleibt fit und gesund auf eurer Reise
    und auch danach, das wünscht euch
    Wolfgang

  6. Ganbileg said,

    Hallo Alex,

    ich will mit meinem Freund und Kind mit Zug vn Peking nach Mongolei.
    Kannst du mir vielleicht weiter helfen und sagen welche Mögeiten es gibt und was es kostet?
    vielen Dank,

    VG Gana

    • barreoptuur said,

      Hallo Gana,
      ich empfehle dir zur Information über Fahrpläne und Kosten die Seite http://www.transsib.de. Wenn ihr mit der Transsib von Peking Richtung Irkutsk fahrt, kommt ihr durch die Mongolei. Die Fahrkarten solltet ihr frühzeitig vorher buchen. Ich empfehle euch ein Vierbettabteil (2.Klasse), das ist billiger als das Zweitbettabteil und man lernt nette Leute kennen. Viele Grüße,

      Axel

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